TEIL II
DIE
CHARTA DER GRUNDRECHTE DER UNION
PRÄAMBEL
Die
Völker Europas sind entschlossen, auf der Grundlage gemeinsamer Werte eine
friedliche Zukunft zu teilen, indem sie sich zu einer immer engeren Union
verbinden.
In dem Bewusstsein
ihres geistig-religiösen und sittlichen Erbes gründet sich die Union auf die
unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der
Gleichheit und der Solidarität. Sie beruht auf den Grundsätzen der Demokratie
und der Rechtsstaatlichkeit. Sie stellt den Mensch in den Mittelpunkt ihres
Handelns, indem sie die Unionsbürgerschaft und einen Raum der Freiheit, der
Sicherheit und des Rechts begründet.
Die
Union trägt zur Erhaltung und zur Entwicklung dieser gemeinsamen Werte unter
Achtung der Vielfalt der Kulturen und Traditionen der Völker Europas sowie der
nationalen Identität der Mitgliedstaaten und der Organisation ihrer staatlichen
Gewalt auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene bei. Sie ist bestrebt, eine
ausgewogene und nachhaltige Entwicklung zu fördern und stellt den freien
Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr sowie die
Niederlassungsfreiheit sicher.
Zu
diesem Zweck ist es notwendig, angesichts der Weiterentwicklung der
Gesellschaft, des sozialen Fortschritts und der wissenschaftlichen und
technologischen Entwicklungen den Schutz der Grundrechte zu stärken, indem sie
in einer Charta sichtbarer gemacht werden.
Diese
Charta bekräftigt unter Achtung der Zuständigkeiten und Aufgaben der Union und
des Subsidiaritätsprinzips die Rechte, die sich vor allem aus den gemeinsamen
Verfassungstraditionen und den gemeinsamen internationalen Verpflichtungen der
Mitgliedstaaten, aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte
und Grundfreiheiten, aus den von der Union und dem Europarat beschlossenen
Sozialchartas sowie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Union und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergeben. In diesem
Zusammenhang wird die Charta von den Gerichten der Union und der
Mitgliedstaaten unter gebührender Berücksichtigung der Erläuterungen, die auf
Veranlassung und in eigener Verantwortung des Präsidiums des Konvents zur
Ausarbeitung der Charta formuliert wurden, ausgelegt werden.
Die
Ausübung dieser Rechte ist mit Verantwortlichkeiten und Pflichten sowohl
gegenüber den Mitmenschen als auch gegenüber der menschlichen Gemeinschaft und
den künftigen Generationen verbunden.
Daher
erkennt die Union die nachstehend aufgeführten Rechte, Freiheiten und
Grundsätze an.
TITEL I: WÜRDE
DES MENSCHEN
Artikel
II-1: Würde des Menschen
Die
Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.
Artikel II -2: Recht auf Leben
(1) Jeder Mensch hat das
Recht auf Leben.
(2) Niemand darf zur
Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.
Artikel II -3: Recht auf Unversehrtheit
(1) Jeder Mensch hat das Recht auf
körperliche und geistige Unversehrtheit.
(2) Im Rahmen der Medizin und der
Biologie muss insbesondere Folgendes beachtet werden:
a) die
freie Einwilligung des Betroffenen nach vorheriger Aufklärung entsprechend den
gesetzlich festgelegten Modalitäten,
b) das
Verbot eugenischer Praktiken, insbesondere derjenigen, welche die Selektion von
Menschen zum Ziel haben,
c) das
Verbot, den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur Erzielung von
Gewinnen zu nutzen,
d) das
Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen.
Artikel II-4: Verbot der Folter
und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung
Niemand
darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung
unterworfen werden.
Artikel II-5: Verbot der
Sklaverei und der Zwangsarbeit
(1) Niemand darf in Sklaverei oder
Leibeigenschaft gehalten werden.
(2) Niemand darf gezwungen werden,
Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten.
(3) Menschenhandel ist verboten.
TITEL II: FREIHEITEN
Artikel
II-6: Recht auf Freiheit
und Sicherheit
Jeder
Mensch hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit.
Artikel
II-7: Achtung des Privat- und Familienlebens
Jeder
Mensch hat das Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner
Wohnung sowie seiner Kommunikation.
Artikel
II-8: Schutz personenbezogener Daten
(1) Jeder Mensch hat das Recht auf
Schutz der ihn betreffenden personenbezogenen Daten.
(2) Diese Daten dürfen nur nach Treu
und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person
oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet
werden. Jeder Mensch hat das Recht, Auskunft über die ihn betreffenden
erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken.
(3) Die Einhaltung dieser Vorschriften
wird von einer unabhängigen Stelle überwacht.
Artikel
II-9: Recht, eine Ehe einzusehen und eine Familie zu gründen
Das
Recht, eine Ehe einzugehen, und das Recht, eine Familie zu gründen, werden nach
den einzel-staatlichen Gesetzen gewährleistet, welche die Ausübung dieser
Rechte regeln.
Artikel
II-10: Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit
(1) Jeder
Mensch hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und
Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder
Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung
einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst,
Unterricht, Bräuche und Riten zu bekennen.
(2) Das Recht auf
Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen wird nach den einzelstaatlichen
Gesetzen anerkannt, welche die Ausübung dieses Rechts regeln.
Artikel
II-11: Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit
(1) Jeder Mensch hat das Recht auf
freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die
Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne
Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.
(2) Die Freiheit der Medien und ihre
Pluralität werden geachtet.
Artikel
II-12: Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
(1) Jeder Mensch hat das Recht, sich
insbesondere im politischen, gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen
Bereich auf allen Ebenen frei und friedlich mit anderen zu versammeln und frei
mit anderen zusammenzuschließen, was das Recht jedes Menschen umfasst, zum
Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften
beizutreten.
(2) Politische Parteien auf der Ebene
der Union tragen dazu bei, den politischen Willen der Unionsburgerinnen und
Unionsbürger zum Ausdruck zu bringen.
Artikel II-13: Freiheit von Kunst
und Wissenschaft
Kunst
und Forschung sind frei. Die akademische Freiheit wird geachtet.
Artikel
11-14: Recht auf Bildung
(1) Jeder Mensch hat das Recht auf
Bildung sowie auf Zugang zur beruflichen Ausbildung und Weiterbildung.
(2) Dieses Recht umfasst die Möglichkeit,
unentgeltlich am Pflichtschulunterricht teilzunehmen.
(3) Die Freiheit zur Gründung von
Lehranstalten unter Achtung der demokratischen Grundsätze sowie das Recht der
Eltern, die Erziehung und den Unterricht ihrer Kinder entsprechend ihren eigenen
religiösen, weltanschaulichen und erzieherischen Überzeugungen sicherzustellen,
werden nach den einzelstaatlichen Gesetzen geachtet, welche ihre Ausübung
regeln.
Artikel II-15: Berufsfreiheit und
Recht zu arbeiten
(1) Jeder Mensch hat das Recht, zu
arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben.
(2) Alle Unionsbürgerinnen und
Unionsbürger haben die Freiheit, in jedem Mitgliedstaat Arbeit zu suchen, zu
arbeiten, sich niederzulassen oder Dienstleistungen zu erbringen.
(3) Die Staatsangehörigen dritter
Länder, die im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten arbeiten dürfen, haben
Anspruch auf Arbeitsbedingungen, die denen der Unionsbürgerinnen und
Unionsbürger entsprechen.
Artikel
II-16: Unternehmerische Freiheit
Die unternehmerische Freiheit wird nach dem Unionsrecht
und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt.
Artikel
II-17: Eigentumsrecht
(1) Jeder Mensch hat das Recht, sein rechtmäßig
erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu
vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen
des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in
einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene
Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums kann
gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit
erforderlich ist.
(2) Geistiges Eigentum wird geschützt.
Artikel
II-18: Asylrecht
Das
Recht auf Asyl wird nach Maßgabe des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 und des
Protokolls vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sowie
gemäß der Verfassung gewährleistet.
Artikel
II-19: Schutz bei Abschiebung Ausweisung
und Auslieferung
(1) Kollektivausweisungen sind
nicht zulässig.
(2) Niemand darf in einen Staat
abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der
Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden
Strafe oder Behandlung besteht.
TITEL III: GLEICHHEIT
Artikel
II-20: Gleichheit vor
dem Gesetz
Alle
Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
Artikel
II-21: Nichtdiskriminierung
(1) Diskriminierungen insbesondere
wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen
Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der
Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu
einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des
Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.
(2) Im
Anwendungsbereich der Verfassung ist unbeschadet ihrer einzelnen Bestimmungen
jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.
Artikel
II-22: Vielfalt der
Kulturen, Religionen und Sprachen
Die
Union achtet die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen.
Artikel
II-23: Gleichheit von
Männern und Frauen
Die
Gleichheit von Männern und Frauen ist in allen Bereichen, einschließlich der
Beschäftigung, der Arbeit und des Arbeitsentgelts, sicherzustellen.
Der
Grundsatz der Gleichheit steht der Beibehaltung oder der Einführung spezifischer
Vergünstigungen für das unterrepräsentierte Geschlecht nicht entgegen.
Artikel II-24: Rechte des Kindes
(1) Kinder haben Anspruch auf den
Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind. Sie können ihre
Meinung frei äußern. Ihre Meinung wird in den Angelegenheiten, die sie
betreffen, in einer ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise
berücksichtigt.
(2) Bei allen Kinder betreffenden
Maßnahmen öffentlicher oder privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes
eine vorrangige Erwägung sein.
(3) Jedes Kind hat Anspruch auf
regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden
Elternteilen, es sei denn, dies steht seinem Wohl entgegen.
Artikel
II-25: Rechte älterer Menschen
Die
Union anerkennt und achtet das Recht älterer Menschen auf ein würdiges und
unabhängiges Leben und auf Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben.
Artikel
II-26: Integration von Menschen mit Behinderung
Die
Union anerkennt und achtet den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf
Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und
beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der Gemeinschaft.
TITEL IV: SOLIDARITÄT
Artikel II-27: Recht auf Unterrichtung
und Anhörung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Im
Unternehmen
Für die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer oder ihre Vertreter muss auf den geeigneten Ebenen eine
rechtzeitige Unterrichtung und Anhörung in den Fällen und unter den
Voraussetzungen gewährleistet
sein, die nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und
Gepflogenheiten vorgesehen sind.
Artikel
II-28: Recht auf Kollektivverhandlungen
und Kollektivmaßnahmen
Die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer sowie die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber oder ihre jeweiligen
Organisationen haben nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten das Recht, Tarifverträge auf den
geeigneten Ebenen auszuhandeln und zu schließen sowie bei Interessenkonflikten
kollektive Maßnahmen zur Verteidigung ihrer Interessen, einschließlich Streiks,
zu ergreifen.
Artikel II-29: Recht auf Zugang
zu einem
Arbeitsvermittlungsdienst Jeder
Mensch hat das Recht auf Zugang zu einem unentgeltlichen
Arbeitsvermittlungsdienst.
Artikel II-30: Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung
Jede Arbeitnehmerin und
jeder Arbeitnehmer hat nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten Anspruch auf Schutz vor
ungerechtfertigter Entlassung.
Artikel II-31: Gerechte und angemessene
Arbeitsbedingungen
(1) Jede
Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf gesunde, sichere und
würdige Arbeitsbedingungen.
(2) Jede
Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der
Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten
Jahresurlaub.
Artikel II-32: Verbot der
Kinderarbeit und Schutz der Jugendlichen am Arbeitsplatz
Kinderarbeit ist verboten.
Unbeschadet günstigerer Vorschriften für Jugendliche und abgesehen von
begrenzten Ausnahmen darf das Mindestalter für den Eintritt in das Arbeitsleben
das Alter, in dem die Schulpflicht endet, nicht unterschreiten.
Zur Arbeit zugelassene
Jugendliche müssen ihrem Alter angepasste Arbeitsbedingungen erhalten und vor
wirtschaftlicher Ausbeutung und vor jeder Arbeit geschützt werden, die ihre
Sicherheit, ihre Gesundheit, ihre körperliche, geistige, sittliche oder soziale
Entwicklung beeinträchtigen oder ihre Erziehung gefährden könnte.
Artikel II-33: Familien- und Berufsleben
(1) Der
rechtliche, wirtschaftliche und soziale Schutz der Familie wird gewährleistet.
(2) Um
Familien- und Berufsleben miteinander in Einidang bringen zu können, hat jeder
Mensch das Recht auf
Schutz vor Entlassung aus einem mit der Mutterschaft zusammenhängenden
Grund sowie den Anspruch
auf einen bezahlten Mutterschaftsurlaub und auf einen Eltemurlaub
nach der Geburt oder
Adoption eines Kindes.
Artikel II-34: Soziale Sicherheit und soziale
Unterstützung
(1) Die
Union anerkennt und achtet das Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen
Sicherheit und zu den
sozialen Diensten, die in Fällen wie Mutterschaft, Krankheit, Arbeitsunfall,
Pflegebedürftigkeit oder
im Alter sowie bei Verlust des Arbeitsplatzes Schutz gewährleisten, nach
Maßgabe des Unionsrechts
und der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.
(2) Jeder
Mensch, der in der Union seinen rechtmäßigen Wohnsitz hat und seinen Aufenthalt
rechtmäßig wechselt, hat Anspruch auf die Leistungen der sozialen Sicherheit
und die sozialen Vergünstigungen nach dem Unionsrecht und den emzelstaatlichen
Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.
(3) Um
die soziale Ausgrenzung und die Armut zu bekämpfen, anerkennt und achtet die
Union das Recht auf eine soziale Unterstützung und eine Unterstützung für die
Wohnung, die allen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, ein
menschenwürdiges Dasein sicherstellen sollen, nach Maßgabe des Unionsrechts und
der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.
Artikel II-35: Gesundheitsschutz
Jeder Mensch hat das Recht
auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge und auf ärztliche Versorgung nach Maßgabe
der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten. Bei der
Festlegung und Durchführung der Politik und Aktionen der Union in allen
Bereichen wird ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt.
Artikel
II-36: Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
Die Union anerkennt und
achtet den Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen
Interesse, wie er durch die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und
Gepflogenheiten im Einldang mit der Verfassung geregelt ist, um den sozialen
und territorialen Zusammenhalt der Union zu fördern.
Artikel II-37: Umweltschutz
Ein hohes
Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität müssen in die
Politik der Union einbezogen und nach dem Grundsatz der nachhaltigen
Entwicklung sichergestellt werden.
Artikel II-38: Verbraucherschutz
Die Politik der Union
stellt ein hohes Verbraucherschutzniveau sicher.
TITEL V: BÜRGERRECHTE
Artikel II-39: Aktives und Dassives Wahlrecht bei
den Wahlen zum Europäischen Parlament
(1) Die
Unionsbürgerinnen und Unionsbürger besitzen in dem Mitgliedstaat, in dem sie
ihren Wohnsitz haben, das aktive und passive Wahlrecht bei den Wahlen zum
Europäischen Parlament, wobei für sie dieselben Bedingungen gelten wie für die
Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats.
(2) Die
Mitglieder des Europäischen Parlaments werden in allgemeiner, unmittelbarer,
freier und geheimer Wahl gewählt.
Artikel
II-40: Aktives und passives Wahlrecht
bei den Kommunalwahlen
Die Unionsbürgerinnen und
Unionsbürger besitzen in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben,
das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen, wobei für sie dieselben
Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats.
Artikel
II-41: Recht auf eine
gute Verwaltung
(1) Jeder
Mensch hat ein Recht darauf, dass seine Angelegenheiten von den Organen,
Einrichtungen, Amtem und Agenturen der Union unparteiisch, gerecht und
innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden.
(2) Dieses
Recht umfasst insbesondere
a) das Recht eines jeden Menschen, gehört
zu werden, bevor ihm gegenüber eine für ihn nachteilige individuelle Maßnahme
getroffen wird,
b) das Recht eines jeden Menschen auf
Zugang zu den ihn betreffenden Akten unter Wahrung des legitimen Interesses der
Vertraulichkeit sowie des Berufs- und Geschäftsgeheimnisses,
c) die Verpflichtung der Verwaltung, ihre
Entscheidungen zu begründen.
(3) Jeder
Mensch hat Anspruch darauf, dass die Union den durch ihre Organe oder
Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den
allgemeinen Rechtsgrundsätzen ersetzt, die den Rechtsordnungen der
Mitgliedstaaten gemeinsam sind.
(4) Jeder
Mensch kann sieh in einer der Sprachen der Verfassung an die Organe der Union
wenden und muss eine Antwort in derselben Sprache erhalten.
Artikel II-42: Recht auf Zugang zu Dokumenten
Die Unionsbürgerinnen und
Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder
Sitz in einem Mitgliedstaat haben das Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe,
Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Union, unabhängig davon, in welcher Form
diese Dokumente erstellt werden.
Artikel II-43: Der Europäische Bürgerbeauftragte
Die Unionsbürgerinnen und
Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder
satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat haben das Recht, den Europäischen
Bürger-beauftragten im Falle von Missständen bei der Tätigkeit der Organe,
Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Union, mit Ausnahme des Europäischen
Gerichtshofs und des Gerichts in Ausübung ihrer Rechtsprechungsbefugnisse, zu
befassen.
Artikel II-44: Petitionsrecht
Die Unionsbürgerinnen und
Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder
Sitz in einem Mitgliedstaat haben das Recht, eine Petition an das Europäische
Parlament zu richten.
Artikel II-45: Freizügigkeit und
Aufenthaltsfreiheit
(1) Die
Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben das Recht, sich im Hoheitsgebiet der
Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.
(2) Staatsangehörigen
dritter Länder, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats
aufhalten, kann gemäß der Verfassung Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit
gewährt werden.
Artikel II-46: Diplomatischer und konsularischer
Schutz
Die Unionsbürgerinnen und
Unionsbürger genießen im Hoheitsgebiet eines Drittlandes, in dem der
Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, nicht vertreten ist,
den Schutz der diplomatischen und konsularischen Stellen eines jeden
Mitgliedstaats unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses Staates.
TITEL VI:
JUSTIZIELLE RECHTE
Artikel II-47: Recht auf einen
wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht
Jeder Mensch, dessen durch
das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind,
hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehen Bedingungen bei
einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.
Jeder Mensch hat ein Recht
darauf, dass seine Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch
Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb
angemessener Frist verhandelt wird. Jeder Mensch kann sich beraten, verteidigen
und vertreten lassen.
Personen, die nicht über
ausreichende Mittel verfügen, wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit diese
Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu
gewährleisten.
Artikel II-48: Unschuldsvermutung und
Verteidigungsrechte
(1) Jeder
Angeklagte gilt bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis seiner Schuld als
unschuldig.
(2) Jedem
Angeklagten wird die Achtung der Verteidigungsrechte gewährleistet.
Artikel II-49: Grundsätze der
Gesetzmaßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang
mit Straftaten und Strafen
(1) Niemand
darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit
ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar
war. Es darf auch keine schwerere Strafe als die zur Zeit der Begehung
angedrohte Strafe verhängt werden. Wird nach Begehung einer Straftat durch
Gesetz eine mildere Strafe eingeführt, so ist diese zu verhängen.
(2) Dieser
Artikel schließt nicht aus, dass eine Person wegen einer Handlung oder
Unterlassung verurteilt oder bestraft wird, die zur Zeit ihrer Begehung nach
den allgemeinen, von der Gesamtheit der Nationen anerkannten Grundsätzen
strafbar war.
(3) Das
Strafmaß darf gegenüber der Straftat nicht unverhältnismäßig sein.
Artikel II-50: Recht, wegen derselben Straftat
nicht zweimal strafrechtlich verfollgt oder bestraft zu werden
Niemand darf wegen einer
Straftat, derentwegen er bereits in der Union nach dem Gesetz rechtskräftig
verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren erneut
verfolgt oder bestraft werden.
TITEL VII: ALLGEMEINE
BESTIMMUNGEN UBER DIE AUSLEGUNG UND ANWENDUNG DER
CHARTA
Artikel II-51: Anwendungsbereich
(1) Diese
Charta gilt für die Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Union unter
Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten
ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Dementsprechend
achten sie die Rechte, halten sie sich an die Grundsätze und fördern sie deren
Anwendung gemäß ihren jeweiligen Zuständigkeiten und unter Achtung der Grenzen
der Zuständigkeiten, die der Union in anderen Teilen der Verfassung übertragen
werden.
(2) Diese
Charta dehnt den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die
Zuständigkeiten der Union hinaus aus und begründet weder neue Zuständigkeiten
noch neue Aufgaben für die Union, noch ändert sie die in den anderen Teilen der
Verfassung festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben.
Artikel II-52: Tragweite und Auslegung der Rechte
und Grundsätze
(1) Jede
Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und
Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte
und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den
von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den
Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich
entsprechen.
(2) Die
Ausübung der durch diese Charta anerkannten Rechte, die in anderen Teilen der
Verfassung geregelt sind,
erfolgt im Rahmen der in diesen einschlägigen Teilen festgelegten
Bedingungen und Grenzen.
(3) So
weit diese Charta Rechte enthält, die den durch die Europäische Konvention zum
Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Rechten
entsprechen, haben sie die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in
der genannten Konvention verliehen wird. Diese Bestimmung steht dem nicht
entgegen, dass das Recht der Union einen weiter gehenden Schutz gewährt.
(4) Soweit
in dieser Charta Grundrechte anerkannt werden, wie sie sich aus den gemeinsamen
Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, werden sie im Einklang
mit diesen Überlieferungen ausgelegt.
(5) Die Bestimmungen dieser Charta, in denen Grundsätze
festgelegt sind, können durch
Akte der Gesetzgebung und
der Ausführung der Organe und Einrichtungen der Union sowie durch
Akte der Mitgliedstaaten
zur Durchführung des Rechts der Union in Ausübung ihrer jeweiligen
Zuständigkeiten umgesetzt
werden. Sie können vor Gericht nur bei der Auslegung dieser Akte und
bei Entscheidungen über
deren Rechtmäßigkeit herangezogen werden.
(6)
Den
einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ist, wie es in dieser
Charta bestimmt ist, in vollem Umfang Rechnung zu tragen.
Artikel II-53: Schutzniveau
Keine Bestimmung dieser
Charta ist als eine Einschränkung oder Verletzung der Menschenrechte und
Grundfreiheiten auszulegen, die in dem jeweiligen Anwendungsbereich durch das
Recht der Union und das Völkerrecht sowie durch die internationalen
Übereinkommen, bei denen die Union oder alle Mitgliedstaaten Vertragsparteien
sind, darunter insbesondere die Europäische Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten, sowie durch die Verfassungen der Mitgliedstaaten
anerkannt werden.
Artikel II-54: Verbot
des Missbrauchs der
Rechte
Keine Bestimmung dieser
Charta ist so auszulegen, als begründe sie das Recht, eine Tätigkeit auszuüben
oder eine Handlung vorzunehmen, die darauf abzielt, die in der Charta
anerkannten Rechte und Freiheiten abzuschaffen oder sie stärker einzuschränken,
als dies in der Charta vorgesehen ist.